Spiel mir das Lied vom Tod





Spiel mir das Lied vom Tod

Am 20.7. hat sich einer meiner Jugendhelden Chester Bennington für den kürzesten Weg entschieden und seinem Leid aus freien Stücken ein Ende gesetzt. Er hinterlässt Frau und Kinder, Freunde und Familie. Doch all das hielt ihn nicht zurück. Konnte ihn nicht mehr halten.

Noch vor ein paar Monaten hätte ich das nur schwer verstehen können. Doch manchmal ändern sich Meinungen, Einstellungen und Ideale. Vielleicht manchmal auch erst, wenn man zu oft selbst nicht mehr weiter wusste. Nie an den Freitod gedacht, ihn aber auch nicht mehr kategorisch abgelehnt oder gar verurteilt.

Wenn du bei Vollgas im Leben die Kontrolle verlierst und von der linken Spur rechts rüber blinkst, ein sekundenschneller Gedanke - der Baum am Wegesrand und alles wär vorbei. All der Schmerz, die Wut, die Verzweiflung. Ein Wimpernschlag ins Glück. Ein Takt des Liedes 'given up' und schon hast du aufgegeben. Doch für welchen Preis findest Du deinen Frieden?

Was ist mit den Freunden, die nichtmal ahnen wie schlimm es um Dich steht. Werden sie dich vermissen? Sich Vorwürfe machen? Leiden? Nein, das kannst und willst Du nicht verantworten.  

Die Familie, dein Partner? Die besten Freunde? Die alles geben dir zu helfen und dich am Ende doch verlieren? Denen du das Herz brichst und in unermessliche Trauer treibst. Nein, das darfst und wirst Du nicht verantworten.

Also lenkst Du zurück. Bleibst auf der Spur. Gehst nur etwas vom Gas. Atmest. Weinst. Stehst zitternd auf dem Standstreifen deines Lebens, alles rauscht an Dir vorbei. Doch das Lied hört nicht auf. Kann es sein, dass Du dein Leben nur weiterführst, um andere nicht zu verletzten? Doch jetzt erklär einem mal jemand, wie man das macht, für sich um seiner selbst Willen leben wollen. Woher nimmt man den Mut und wer schenkt einem die Kraft? 

Für andere leben und seins dabei verlieren. Dein Leben lang der Starke. Du schaffst alles, du kannst das, du kannst alles, aber vor allem gerade nicht mehr.

Plötzlich gefangen in einem Strudel es allen Recht zu machen, sich selbst aufrecht zu halten, gegen grau und schwarz anzuschreien mit dem Wunsch nicht auszuflippen. Wo bist Du? Wo bleibst Du? Auf der Strecke ist keine Option, doch jeden Morgen ist da weniger von Dir im Spiegel. Der Stolz juckt, der Ehrgeiz geweckt. Ich schaff das schon. Klar. Wie immer. 

Wenn morgen die Sonne scheint, kann das alles so schlimm nicht sein. Durchatmen. Weitermachen. Doch wie lang noch bis egal? Wie lang noch bis kein Schmerz mehr? Ja ich will dankbar sein für mein Leben, es nicht wegwerfen. Sie macht dich krank, diese Selbstverständlichkeit, die alle Leben nennen. Die sollen jetzt mal bloß nicht übertreiben, keiner weiß wie es dir geht. 

Mit jedem Atemzug nimmt sich irgendwo auf der Welt ein Mensch das Leben. Will nicht mehr weiterkämpfen. Kann es nicht mehr. Wie weit muss man kommen, dass selbst die anderen nicht mehr zählen. Endgültig nicht mehr mehr wiegen als das eigene Leben? 

Was trennt dich noch von denen? Was unterscheidet euch? Der Glaube? Kannst Du noch glauben? An Dich? An niemand sonst. Denn jetzt stehst Du da, mit Dreck und Tränen in den Augen. Bist Du blind oder willst Du nur nicht sehen? Sieh es. Zumindest ein. Es geht um Dich. Immer. Du bist es wert zu leben. Deinetwegen. Aufstehen. Kämpfen, egal wie lang und hart der Weg. Am Ende stehst du wieder oben und weißt, dass morgen die Sonne wieder scheint. Kannst selig einschlafen, weil morgen die Sonne wieder scheint. Du lebst. Für dich. Und so wieder mit allen. Mit denen die dich lieben, nicht mehr dagegen. 

So Sitz ich hier im Auto. Auf dem Standstreifen. Schnall mich an und fahr los. Fahr weiter. Ruhe in Frieden Chester, ich bleib noch hier. Ich kämpfe. Für mich. Für Dich. 





1 Kommentar:

  1. Sehr gut geschrieben. Ich selber stand schon sehr nah am Abgrund des Freitods. Gerettete hat mich nur der Gedanke daß ich es nie geschafft hätte zu wissen was mit mir weiterhin passiert. Ich habe gelitten, geweint, geschriene und unvorstellbare Schmerzen ertragen und trotz allem bin ich noch hier. Genau um dem Menschen zu zeigen der mich unten sehen wollte das er es nicht schafft. Ich hänge immer noch mitten drin und werde dort vermutlich kein Weg mehr raus finden, aber ich habe es akzeptiert und nun ist das ganze kein Feind mehr sondern ein Gast der ab und zu mich in die Knie zwingt aber mir dann die Hand reicht und mir hoch hilft.

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