mitteendezwanzig

mit mitteendezwanzig in der Krise


Man sagt, dass der Mensch alle 7 Jahre eine prägende Phase durchläuft. Ich wäre dann also jetzt am Ende meiner vierten Phase. Wohl die erste, die ich nicht mit exzellent, sondern mit 'sie war stets bemüht' abschließe. Also sollte irgendjemand Noten verteilen für durchgestandene Lebensphasen, ich wär froh, wenn es noch dauert bis zur Zeugnisvergabe. Vielleicht wenigstens noch so lang, bis ich weiß wie ich ungefähr weiter mache. Vom Fleck weg komme. Wieder Fahrt aufnehme. Egal.

Augen zu. Zurück in Phase eins. Ach diese wohlig warme Mama-Liebe. Ignorieren wir den Papa-Schmerz und freuen uns über Mama, Oma und Opa. Immer behütet, nichts kann Dir passieren. Man ist stolz, wenn Du Bäuerchen machst. Einschläfst. Die ersten Schritte gehst und Ach-so-schnell groß wirst. Die erste Phase endet so Ende der ersten Klasse - auf meinem Zeugnis steht was von perfekter Entwicklung, tollem Sozialverhalten und übermäßiger Intelligenz. Cool. Kind sein, frei sein, austoben. Das Schlimmste, was Dir passieren konnte waren höchstens gebrochene Knochen oder was? ich darf keine Cola trinken? Ich will aber!

So dann kannst Du laufen, lesen, schreiben und plötzlich wirst Du immer größer und bekommst das auch noch mit. Entwickelst ein Bewusstsein. Rebellierst. Irgendwie fühlst Du Dich schon so richtig groß und cool, weil plötzlich kommst Du auf's Gymnasium, schreibst immer noch nur Einser und auch sonst gibt es keinen Grund zur Sorge. Außer vielleicht, Hey wie schwänz ich Sport? Ach ich sag ich hab meine Tage. So einfach geht's. Und weiter. Attacke!

Voll Bock auf Erwachsenwerden. Jungs. Alkohol. Grenzen ausloten und in jedem Fall weit überschreiten. Unendlicher Wachstumsschmerz, weil in der Pubertät ja grundsätzlich alles und jeder gegen Dich ist. Streiten, Fluchen, Flaschen zerschlagen. Weltschmerz auf Deinen Schultern, aber hey... weitertanzen. Eine Lebensphase voller mit Superlativen besetzter Erster Male. Aber mal ehrlich, noch kein erster Liebeskummer war wirklich der Schlimmste und mit Sicherheit kein erster Sex der Beste. So, Zeugnis wird erstellt mittelmäßig gutes Zweier-Abi. Studienplatz. Fuck it, Leben ich komme!

Oh und wie. Neue Stadt. Erste eigene Wohnung. Studiert wird nebenbei. Viel wichtiger ist jetzt. Feiern und gefeiert werden. Eine Phase voller wirklicher Superlativer. Keine Sorgen werden nach 3 Tagen wach reichlich diskutiert. Wusste man damals natürlich nicht, dass das noch keine Sorgen sind. Laberflashs gefolgt von Abstürzen. Zerfeiert. Zerlebt. Superlative, sag ich ja. Aber verdammt glücklich, immer wieder den wirklich schlimmsten Kater, den Du je hattest, überlebt zu haben. Ach und nebenbei das Studium abschließen, Bachelorarbeit schreiben, Zeugnisdurchschnitt wieder irgendwas mit 2. Also wäre die Phase da vorbei, aber das wirklich Erwachsenwerden soll ja erst noch kommen.

Wieder zurück nach Köln. Praktikum, Festanstellung. Lebenslauf wie ein Traum. Also halten wir uns an die berufliche Laufbahn. Das war immer so der rote Faden. Das, was immer klar und geradlinig war, egal auf welcher Seite der Linie ich gerade rumgetobt bin. Ich musste mich nie wirklich anstrengen. Nie wirklich darüber nachdenken, was ich eigentlich will. Alles lief und plätschert so vor sich hin. Klar - im Job den Arsch aufgerissen. Sich für den tollen, hippen Titel komplett aufgeopfert. Und dann gefallen. Tief.

Erschöpfungsdepression. Klingt nichtmals halb so scheiße, wie es sich anfühlt. Krank. Zuhause. Kündigung. Freier Fall.

Und plötzlich wirst Du aus Deinem eigenen sich drehenden Hamsterrad geschmissen. Im hohen Bogen ins Nichts. Amtbesuche. Rumschlagen und Warten auf Geld. Ja scheiße, dafür hatte ich jetzt keinen Plan B. Ich brauchte den ja nie. Gesundheitlich das Beste, was mir passieren konnte. Hab ich mich doch so lang vor der Entscheidung gedrückt den Notfall-Fallschirm Kündigung zu ziehen. Zu viel Angst. Zu bequem. Wasauchimmer. Also steh ich jetzt da. Am Anfang von einem großen ungewissen Nichts. Zum ersten Mal will ich selber die Entscheidungen treffen. Keine Angst mehr vor Bürokratie und dem ganzen Erwachsenen-Ding haben. Sortiere meine Träume und suche den Mittelweg. Und eins steht fest. ICH SCHAFF DAS SCHON. Was Rolf Zuckowski mir in der ersten Phase eingeredet hat, muss stimmen. Das weiß ich.

So sitze ich jetzt hier. Am Ende der vierten Lebensphase. Und frage mich, was wohl auf meinem Zeugnis stehen wird, wenn ich das hier durch habe. Wieder zurück in der Spur bin. Auch wenn ich jetzt gerade noch nicht weiß wie und wohin. Wird schon. Wird immer.




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