Guten Morgen, Herr Doktor





Guten Morgen, Herr Doktor!

Wobei gut ist hier an diesem Montag morgen gar nichts. Der Morgen an dem ich mir eingestehe, dass ich nicht mehr kann. Nicht mehr können will. Nicht mehr können muss. Als letzter Ausweg dient da immer der Arzt. Rechtfertigen ist nicht mehr. Kein Chef, keine sonstwie höhere Instanz hat jetzt noch was zu sagen für Dich. Es zählt nur die Hilfe am Ende des Tunnels. Der Onkel Doktor. 

Guten Morgen lächelt mir die Sprechstundenhilfe entgegen. Offene Sprechstunde - Dantes Inferno für mein sich gleich überschlagendes Herz. So ruhig wie möglich Sitzplatz suchen. Da hinten in der Ecke ist noch einer frei. Schnell sein, wer will schon einen Stehplatz beim Arzt. 

Ok, gut. Durchatmen, ich sitze. Ganz ruhig. Ich atme flach, nicht durchdrehen jetzt. Kalter Schweiß tänzelt auf meiner Stirn, meine zitternden Hände stell ich ruhig indem ich mich darauf setze. So eingeklemmt zwischen Oberschenkel und schrecklich unbequemem Wartezimmerstuhl. Die Wände kommen immer näher. Nehmen mir die Luft zum Atmen. Ruhig bleiben, dir passiert nichts. 

Gegenüber an der Wand obszön große Makro-Aufnahmen von Pusteblumen. Ob denen die Ironie bewusst ist? So viele hoffnungslose Fälle - so ein dummes Wünsch-dir-was Bild? Erinnert mich an Kindheitstage. Sorgenfrei über Wiesen toben und sich bei jeder Pusteblume was wünschen. Augen zu. Pusten. Wunsch. Ich drifte ab, denn von sorgenfreien Kindheitswünschen bin ich momentan in etwa so weit entfernt wie die Sonne von der Erde. Wobei wir in dem Fall natürlich froh über die Entfernung sein können, wünsch ich mir ein bisschen kindliche Leichtigkeit zurück. 

Mir wird schlecht. Mein Magen krampft. Dieser viel zu vertraute Schmerz. Wie das pochen in der Stirn. Ja Körper, ich bin doch beim Arzt. Ich weiß, dass Du nicht mehr kannst. Ich hab's verstanden. Ich Wehr mich nicht mehr gegen dich. Bin dank der Schlaflosigkeit ohnehin zu schwach noch gegen irgendetwas zu kämpfen. Am wenigsten weiter gegen mich. Das ist als wär ich Don Quichotte und die Windmühlen. Kampf auf Leben und Tod, mit sich selbst. Ausweglos. Also such Dir 'nen Ausweg, los!

So Sitz ich hier. Menschen kommen und gehen. Noch 8 vor mir, immerhin auch schon wieder 5 nach mir. In meinem Kopf ein stetiger Kampf zwischen 'Mach dich nicht verrückt, mit 'nem gebrochenen Bein gehst Du auch zum Arzt' und 'schwach, seit wann bist du so schwach?!'-Schlachtrufen. Lasse reden da oben. Ich warte weiter. Mein Name. Bitte sag doch endlich meinen Namen. Endloses Warten auf diesen erlösenden Moment von 'guten Morgen Herr Doktor, bitte Helfen Sie mir. Ich kann nicht mehr'. 


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